Wer hilft mir bei der Erarbeitung einer Film- oder Fernsehrolle?

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Schauspiel-Coach Tim Garde über «Berg Banks», warum Täter immer spannender sind als Opfer und was wir von den Amerikanern lernen können

Tim, was macht dein Coaching besonders?

Ich glaube, das ist meine Leidenschaft, mit der wir in einer Art Sparring zu außergewöhnlichen Spielentscheidungen kommen. «Außergewöhnlich» nicht im Sinne von «originell»: sondern Figuren mit einem außergewöhnlich starken Antrieb auszustatten und mit außergewöhnlichen Mitteln, mit denen sie ihre Umwelt zu verändern versuchen. Damit ein Publikum sie lieben und was von ihnen lernen kann – und nicht nur eine authentisch abgebildete Wirklichkeit abnickt beim Zuschauen. Voraussetzung von schauspielerischer Seite scheint mir, dass auch die Spieler etwas Außergewöhnliches bei ihrer Arbeit am Set oder auf der Bühne erleben wollen. Da geht’s um mehr, als ordungsgemäß das Drehbuch zu erfüllen, und dazu gelegentlich bestimmte handwerkliche Fertigkeiten zu nutzen. Wir wollen immer auf besonders zuschauenswerte Weise die Geschichte erzählen – stimmig natürlich für deren Form und Inhalt.

Wie genau gehst du denn vor?

Wir finden heraus, was die Figur grundsätzlich antreibt, ihr Lebenstraum, ihr Hauptbedürfnis – und dann, was sie konkret in der jeweiligen Szene vom anderen unbedingt braucht und mit welchen Mitteln sie das zu erreichen versucht. Auch wie sie die im Drehbuch vorgegebenen Gefühle aktiv dabei einsetzt: zur Manipulation des Partners, damit der das so dringend benötigte Verhalten endlich an den Tag legt. Wenn man zum Beispiel laut Script zu weinen hat, unterstellen wir der Figur, dass sie damit unbewusst oder bewusst etwas erreichen will beim Gegenüber. Auch im Leben setzen wir Gefühle ja gezielt ein – wir haben sie nicht nur. Es macht mir großen Spaß so an jede Drehbuchvorgabe heranzugehen: Alles, was die Figur tut, ist Mittel zum Zweck einer Veränderung des Gegenübers. Weinende Angehörige in Krimis werden so zum Beispiel zu Antreibern für die Kommissare: «Ich brauche, dass ihr für mich kämpft! Na los! Findet den Täter! Hier habt ihr meinen Schmerz – na los: fühlt ihn auch und legt euch ins Zeug für mich!» – so ein Wutweinen treibt den Film voran. Wir entscheiden uns für leidenschaftliches und gezieltes Handeln statt für traurig getriggerte Tränen. Solche Tränen würden wirkungslos verpuffen oder – schlimmer noch – einfach abschrecken: Auch im echten Leben nehmen wir ja aus guten Gründen Reißaus vor selbstmitleidigen Menschen. Warum sollten wir uns beim Miterleben von Fiktion anders verhalten? Authentizität allein ist noch lange kein Kriterium dafür, dass Zuschauer bei einer Figur wirklich mitfiebern wollen. Wir entwickeln im Coaching deshalb die etwas weniger alltägliche Version menschlichen Verhaltens – etwas, das zu spielen und zu schauen Lust macht. Eine Version, von der man was lernen und für die man die Figur lieben kann. Diese Herangehensweise befreit auch aus der Haltung, als Schau- spieler Opfer eines guten oder schlechten Drehbuches zu sein. Oder eines guten oder schlechten Regisseurs oder Kollegen. Du kannst durch deine Spielentscheidungen immer das Drehbuch, die Arbeit am Set und natürlich die Anlage deiner Figur aktiv beeinflussen und Verantwortung übernehmen. Die Schauspieler, die gern mit mir arbeiten, wollen nach einem Drehtag mit guter Energie nach Hause kommen, also: Her mit den Figuren, die nicht nur Alltag abbilden, sondern einen Hauch mutiger, lustvoller, unnachgiebiger sind. Das schürt Spiel- und Zuschauerfreude.

Wie läuft ein Coaching bei Dir ab?

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Mathias Kopetzki